Mein Leben mit Alopecia begann im Juni 2014. Zu Beginn habe ich bemerkt, dass mir vermehrt Haare ausfallen. Nach kurzer Zeit waren die Lücken auf dem Kopf derart gross, dass ich bei meinem Hausarzt eine Lösung für mein Problem gesucht habe. Dieser verwies mich rasch an die dermatologische Abteilung des Kantonsspitals. Noch vor dem ersten Termin habe ich mir die übrig gebliebenen Kopfhaare komplett abrasiert. Das war ein Bauchentscheid mit dessen Resultat ich zu Beginn ziemlich unzufrieden war. Ein ungewohnter Anblick im Spiegel. Ein bleicher, kahler Kopf ist nicht das, was man sich mit gut zwanzig Jahren wünscht. In den ersten Wochen habe ich versucht, diesen mit Kopfbedeckungen zu verstecken. Auf die Blicke hätte ich zu Beginn gerne verzichtet. Die Blicke der Menschen denen ich begegnete, die Zeigefinger der Kinder, die mich sahen. Ganz sicher geht so nie vergessen, dass man nicht so aussieht, wie es sich die Leute gewohnt sind. Und obwohl nur wenige persönlich nach dem Grund fragen, weiss nach kurzer Zeit das ganze Dorf über die Ursache des kahlen Kopfes Bescheid.

Die schulmedizinische Therapie bestand im ersten Schritt aus Auftragen von kortisonhaltigen Mitteln, anschliessend aus Infusionen von Kortison. Man kommt sich schon ziemlich krank vor, wenn man jeden zweiten Tag für eine Infusion im Spital auftauchen muss. Im Gegenzug für Haare schien es jedoch ein erträgliches Übel und zu Beginn war ich zuversichtlich, dass ich nach einiger Zeit wieder normalen Haarwuchs habe. Von den Ärzten glaube ich nur wage gehört zu haben, dass ein Erfolg mehr Glückssache als Normalität bedeutet. Vielleicht wollte ich auch nicht hören, wie es wirklich ist. Da der Erfolg ausblieb, wandte ich mich an alternative Methoden. In der ersten Praxis versuchte ich es mit Irisanalyse. Ein Heilpraktiker schaut sich die Iris an und sieht darin, was mir fehlt oder was aus meinem Körper hinaus sollte, um das Problem zu beheben. Ich erhielt Pulver und Pillen, die ich einnehmen sollte. Es war wahrscheinlich meine Bequemlichkeit und die fehlende Überzeugung die dazu führten, dass ich die Therapie nicht durchzog und keine weiteren Termine abmachte. Einige Zeit später liess ich mich nochmal zu einem Versuch überreden, diesmal klassische Homöopathie. Auch hier fehlte meine innere Überzeugung und dementsprechend kurz hielt ich auch diesmal durch. Nach diesen beiden Versuchen verlor ich die Lust oder eher die Geduld, weitere Therapien auszuprobieren. Besonders da mir niemand einen Erfolg zusichern konnte.

Ein Jahr nachdem ich das erste Mal meine Glatze im Spiegel gesehen habe, war ich mir ziemlich sicher, dass das für den Rest meines Lebens so bleiben wird. Zu dieser Zeit bereitete mir dieser Gedanke auch keine schlechten Gefühle mehr. Ich hatte mich daran gewöhnt und mich damit abgefunden. In meinem Umfeld habe ich festgestellt, dass es nicht für alle gleich unproblematisch zu sein schien, wie es für mich war. Es ist durchaus schön zu merken, dass sich Leute darüber Sorgen machen, ob man mit Alopecia wirklich so gut klar kommt, wie man gegen Aussen sagt. Gleichzeitig ist es unschön zu merken, dass von Menschen die mir sehr nah standen, keine Unterstützung kam. Nach einiger Zeit habe ich dann aber die entsprechenden Konsequenzen gezogen.

Heute bin ich mir meiner Alopecia nur noch zwischendurch bewusst, sie ist Alltag geworden. Wenn es kalt ist, gehe ich nicht ohne Kappe nach draussen. Beim Sport läuft der Schweiss eher in die Augen. Das sind die Momente, in denen Haare ganz angenehm wären. Darauf aufmerksam werde ich auch wenn mich jemand fragt, warum ich keine Haare mehr besitze. Heute erzähle ich, wenn ich gefragt werde, nicht ungern darüber, wie es mir geht. Denn es geht mir gut! Es geht mir gut, weil ich mich an die Alopecia gewöhnt habe. Es geht mir gut, weil ich im Alltag keine Einschränkungen habe. Es geht mir gut, weil es manchmal gar nicht unpraktisch ist, sich nicht um Haare kümmern zu müssen. Es geht mir gut, weil ich gesund und zufrieden bin!
