Selbstbestimmt durch den Sturm
Niemals hätte ich gedacht, mir jemals im Leben den Kopf zu rasieren.
Doch mit 34 Jahren stand meine Welt plötzlich Kopf: Ich erhielt völlig unerwartet die Diagnose Brustkrebs. Die Nachricht kam nur zehn Tage nach Beginn eines lang ersehnten sechsmonatigen Sabbaticals – ich war gerade mit meinem Mann und meinen Eltern in meinem Heimatland Neuseeland, als der Anruf kam. Wie man sich vorstellen kann, traf uns die Diagnose wie ein Schlag ins Gesicht. Statt einer Weltreise mit meinem Mann folgte ein Wirbelsturm aus MRIs, PET-CTs, Operationen und Chemotherapie.
Vor meiner Diagnose dachte ich immer, dass Haarausfall einfach ein Teil jeder Krebserkrankung sei. Doch ich lernte schnell: Nicht alle Chemotherapien führen zwangsläufig zu Haarausfall. In meinem Fall jedoch sagte mein Arzt gleich zu Beginn, dass der Haarausfall durch die gewählten Medikamente unausweichlich sei. Der Gedanke daran wurde also zu einem weiteren Nebeneffekt, mit dem ich umgehen musste. Während ich diese Zeilen schreibe, bin ich tatsächlich komplett kahl(!).
Wie bin ich auf Kopfrausch gestossen?
Direkt nach meinem ersten Gespräch mit dem Onkologen im Luzerner Kantonsspital erklärte mir eine Pflegerin die verschiedenen Möglichkeiten für den Kopf – also Perücken, Tücher und Hüte. Dabei drückte sie mir den wunderschönen Katalog von Kopfrausch in die Hand. Was mich sofort angesprochen hat, waren nicht nur die vielfältigen und eleganten Designs – von denen ich übrigens gleich mehrere bestellt habe und oft trage – sondern auch die frischen, lachenden Gesichter der Frauen, die sie präsentierten. Sie strahlten Selbstbewusstsein aus und erzählten offen und mutig von ihrem eigenen Umgang mit Haarausfall – ob durch Alopecia oder Krebs. Genau das hat mich dazu ermutigt, Romina zu schreiben und meine eigene Geschichte auf dieser Plattform zu teilen. Als junge Frau bin ich sehr dankbar, dass es so viele schöne Möglichkeiten gibt – Perücken und Kopfbedeckungen –, die mir helfen, mich weiterhin wie ich selbst zu fühlen.
Wie war es, sich mit 34 den Kopf zu rasieren?
Nur wenige Tage nach Beginn meiner Therapie – noch bevor die Haare ausfallen konnten (bei mir begann der Haarausfall am Tag 15) – ging ich zum Coiffeur, liess mich für eine Perücke vermessen und liess mir den Kopf rasieren. Ich dachte, es würde ein emotionaler Moment werden – deshalb nahm ich zwei Freundinnen mit, um daraus etwas Positives zu machen.
Und ja, es war surreal – aber es überraschte mich auch total: Statt traurig über den Verlust meiner schulterlangen Haare zu sein, fühlte ich mich befreit. Ich hatte mein Schicksal selbst in die Hand genommen und meine Haare zu meinen Bedingungen verloren. In den Tagen danach lernte ich eine neue Seite an mir kennen, und ich mochte den kurzen Buzzcut – meine Freundinnen übrigens auch! Heute laufe ich zu Hause meist ohne Kopfbedeckung herum – ich bin es inzwischen so gewohnt.
Was ich daraus gelernt habe: Bei Krebs kann man sich viele Dinge nicht aussuchen – aber einige eben doch. Und das gibt Kraft.
Haare sind das eine – aber was ist mit den Augenbrauen?
Ich erinnere mich an einen Brustkrebs-Podcast, in dem eine Betroffene empfahl, wenn möglich und wenn es einem wichtig ist, sich vor Beginn der Chemotherapie die Augenbrauen microbladen zu lassen – denn auch sie können ausfallen. Meine Kopfhaare zu verlieren war das eine – aber meine Augenbrauen? Sie geben dem Gesicht Ausdruck.
Ich habe also schnell einen Termin gemacht, noch bevor die Chemo begann (das ist wichtig – man braucht 10 bis 14 Tage zur Heilung) und bin heute so froh, dass ich es getan habe. Wie auch das Rasieren des Kopfes war es etwas, das ich bewusst für mich getan habe – zu meinen Bedingungen. Und es war eine gute Investition, denn einige Monate später begannen meine Augenbrauen und Wimpern tatsächlich auszufallen.
Auf jedem Schritt dieser Reise habe ich mich unterstützt gefühlt –
…von meinem medizinischen Team, meiner Familie, meinen FreundInnen – und sogar von Fremden. Ich habe mich nie allein gefühlt. Ich wurde inspiriert von den Geschichten anderer Frauen und bin Teil von Gemeinschaften geworden, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich dazugehöre.
Gemeinschaft ist unglaublich wertvoll – in jeder Lebenslage – und ich bin froh, dass Kopfrausch ein Teil meiner geworden ist.
Ich wünsche jeder Frau, die sich plötzlich in einer ähnlichen Situation wiederfindet, dass sie schnell die Unterstützung findet, die sie braucht – und weiss: Sie ist nicht allein. Ich wünsche mir auch, dass jede Frau ihren eigenen Weg im Umgang mit Krebs gehen kann, Licht an unerwarteten Orten findet und dabei neue, wundervolle Facetten ihrer selbst entdeckt.