Aus dem Leben eines Alopecianers – Bianca
Hallo ihr Lieben
Mein Name ist Bianca, ich bin 27 Jahre alt und wohne in Zürich.
Seit nun etwa zweieinhalb Jahren trage ich eine Glatze.
Häufig bin ich mit Kopftüchern von Kopfrauch anzutreffen, manchmal mit Perücke und dann gibt es aber auch Momente, in denen ich „oben ohne“ herum gehe.
Aber beginnen wir von vorne.
Ich war 16 Jahre alt und befand mich in der Berufsausbildung zur Krankenschwester, als eine Klassenkameradin mich das erste mal darauf hinwies, dass ich am Hinterkopf gleich über dem Nacken, ein kleines, wirklich sehr kleines, Loch habe an denen keine Haare sind. Da ich eine sehr sportliche Person bin und meine Haare quasi immer über dem Kopf zu einem Dutt gebunden hatte, fiel dies überhaupt erst auf.
Ich war gerade erst im Urlaub und meinte mich hätte eine Mücke gestochen und mich deswegen vielleicht etwas viel gekratzt.
Trotz der für mich logischen Erklärung eines Mückenstichs, beobachtete ich den kleinen Fleck und realisierte dann innerhalb von wenigen Tagen, dass dieser grösser und nicht wie von mir erwartet kleiner wurde.
Ich rief meinen Hausarzt an, welcher jedoch gerade in den Ferien war, um einen Termin auszumachen. Der nächste freie Termin war erst in zwei Wochen, ich sagte zu. Da ich weder Schmerzen, Juckreiz noch sonst ein Symptom hatte war es für mich kein Problem zu warten.
Der kleine Kreis am Hinterkopf hatte sich zu etwa einen 1-2 cm „kleinem“ Loch entwickelt. Noch immer war ich nicht sonderlich beunruhigt. Zwei Wochen später, als ich zum Termin beim Hausarzt erschien, war das Loch in etwa faustgross und ich kaschierte es indem ich die Haare nun im Nacken zusammen band.
Die Diagnose Alopecia Areata wurde sofort gestellt
und ich wurde an die Dermatologie
im Universität Spital Zürich überwiesen.
Nun musste ich weitere vier Wochen warten bis dort ein Termin frei wurde. Mein ganzer Nacken war bereits kahl (Alopecia ophiasis) als ich mich auf der Dermatologie vorstellte. Ich erhielt von den dortigen Ärzten eine Kortison Salbe, welche ich mir im Nacken auftragen musste, sowie einen Kontrolltermin in zwei Wochen.
Zwei Wochen später, ging ich ohne jegliche Verbesserung, jedoch auch ohne zusätzliche Verschlechterung der Alopecia erneut ins Universitätsspital. Die Ärzte wechselten die Behandlungsmethode, und spritzten eine Mischung aus Kortison und lokal Anästhetikum in die betroffene Stelle im Nacken.
Sie machten mir dort wenig Hoffnung, dass die Haare nachwachsen werden, denn die Alopecia im Nacken sei „sehr hartnäckig“. Doch diese Form der Therapie wirkte bei mir sehr gut, schon nach der ersten Behandlung fingen kleine Härchen an zu spriessen. Ich musste im Abstand von vier Wochen in die Dermatologie für die Injektionen. Sobald überall wieder kleine Härchen zu sehen waren, wurde die Therapie gestoppt und ich wurde erfolgreich aus der Dermatologie entlassen.
Die nächsten Jahre verliefen unregelmässig. Alle etwa 1-2 Jahre hatte ich wieder einen kleinen Herd der Alopecia Areata, welcher direkt mit der lokalen Kortison/ Anästhetikum Mischung behandelt wurde. Dies war jedes Mal sofort erfolgreich. Nur einmal erhielt ich Kortison Tabletten, welche ich einnehmen musste, da die haarlose Stelle bei den Schläfen lag. Die Ärzte meinten, es könnte sich durch die Spritzen eine Hautunregelmässigkeit bilden, welche dann optisch auffallen würde. Mir war zu diesem Zeitpunkt alles recht, Hauptsache die Haare wachsen wieder nach.
Im Frühling 2018, kurz vor meinem 24. Geburtstag
spürte ich an der rechten Kopfseite eine Unregelmässigkeit,
als ich mir mit der Hand durch die Haare fuhr.
Mir war sofort klar, dies muss wieder ein neuer Herd der Alopecia Areata sein. Ich war sehr bestürzt darüber, da ich zuvor drei Jahre lang gar keinen Haarausfall mehr hatte. Ich dachte, die Zeit, in der ich immer wieder Kortison nehmen, um ausfallende Haare bangen und in Ungewissheit leben musste, hatte ein Ende. Nun war es also wieder da…
Ich rief direkt in der Dermatologie an und nahm bereits eigenständig zu Hause wieder die Dosis Kortison, welche ich beim letzten Schub verschrieben bekommen hatte.
Die Besuche beim Dermatologen waren eine Qual. Es wurde immer mehr Kortison direkt in den Kopf injiziert. Was immer so gut geholfen hatte war plötzlich nicht mehr genug. Die Haare fielen weiter aus. Neue Löcher taten sich auf was ich bis dahin nie so erlebt hatte. Nach vier Monaten dann liessen sich die kahlen Stellen nur noch mit einem Pferdeschwanz und einem Bandana im Haar kaschieren.
Im Januar 2019, also gut ¾ Jahre nach dem Ausbruch, rasierte ich mir alle noch bestehenden Haare ab und trug von dort an eine Perücke. Zudem stoppte ich die Behandlung in der Dermatologie. Ich dachte mir, wenn die Medikamente nicht anschlagen, brauche ich sie auch nicht weiter zu nehmen.
Eine gute Freundin von mir, fotografiert leidenschaftlich gerne und so bat ich sie, ein Shooting mit mir zu machen, um Selbstvertrauen zu gewinnen. Ich wollte schöne Bilder oder besser gesagt, ich wollte Bilder auf denen ich ohne Haare schön aussehe.
Da ich mich selbst sehr stark über mein optisches identifiziert hatte, musste ich lernen mich so wie ich jetzt bin zu akzeptieren. Ich musste lernen, dass ich auch ohne Haare noch immer die gleiche Person bin. Ich bin immer noch ich, aber mit einem viel stärkerem Charakter. Ich weiss inzwischen genau wer ich bin und was ich kann. Ich lasse mich nicht unter meinem Wert verkaufen und kann für mich selber einstehen. Alles Dinge die ich früher so nicht gekonnt habe.
Seit dem Juli 2019 habe ich auch noch die komplette Körper- und Gesichtsbehaarung verloren. Ich trage meist einen Liedstrich und wenn ich am Abend ausgehe, klebe ich oft künstliche Wimpern an. Zudem lies ich ein Microblading machen. Mit diesem bin ich sehr, sehr happy!
Seit Ende 2019 bin ich bei einer Modelagentur unter Vertag, dies mache ich nur nebenbei. Sonst arbeite ich noch immer im Spital. Ich dachte mir, wenn ich schon einen speziellen Look habe, warum diesen nicht zu meinem Vorteil nutzen und mich bei einer Agentur melden. Ich wurde dort sehr herzlich empfangen und es zeigte sich, dass viele Fotografen, Make-up Artisten und Stylisten grosses Interesse an meinem Aussehen haben. ♥
Zum Abschluss möchte ich noch sagen, dass jeder, egal ob gar keine Haare, einzelne Flecken oder nur ganz kleine Löcher, jeder muss sich selbst damit auseinandersetzen. Jedes „Stadium“ mag für jeden unterschiedlich empfunden und möglicherweise schlimm sein. Nichtsdestotrotz möchte ich mit meiner Geschichte Mut machen. Auch für mich war es teilweise schlimm, ich sass weinend auf dem Boden im Badezimmer und rief meine beste Freundin an, um mich ausweinen zu können. Dies alles gehört auch dazu!
Lerne dich neu kennen, lerne wer DU bist und trauere nicht demnach wer du warst mit Haaren. Mache was dir selber gut tut und fühle dich schön dabei.
Du bist schön egal ob mit oder ohne Haare
Fotografisches Projekt «finding beauty beyond baldness»
Ich bin Manuela Seiler und seit meinem dritten Lebensjahr lebe ich mit Alopecia Areata. Als Kind konnte ich relativ unbeschwert mit der Krankheit umgehen und versteckte sie nicht. Dies änderte sich jedoch, als ich meine Lehre in einer Apotheke begann..